Was ist Gestalttherapie?
Gestalttherapie ist eine körper- und prozessorientierte Form der Psychotherapie. Sie wurde von Fritz und Laura Perls begründet und entwickelt sich seither immer weiter. Das Wort Gestalt bezieht sich auf das Formen eines sinnvollen Ganzen, das in sich stimmig ist.
In der Gestalttherapie geht es darum, freier zu werden – freier in Entscheidungen, wie das eigene Leben gelebt wird, und den ganz eigenen Weg zu gehen. Lebe ich wirklich mein eigenes Leben oder erfülle ich stille Erwartungen von der Familie, der Gesellschaft, mir selbst, die mir gar nicht entsprechen?
Wir alle sind geprägt durch unsere Erfahrungen. Manche Verhaltensweisen, die früher dienlich und nützlich waren, zeigen sich im Heute als hinderlich und wir möchten uns gerne davon befreien.
Es ist jedoch nicht so einfach, gut eingeübte Muster zu durchbrechen und neue Wege zu beschreiten. Gefühle wie Scham, Schuld, Trauer, Wut oder Angst können sich einstellen. Wir möchten uns gerne verändern, aber scheinbar unsichtbare, mächtige innere Kräfte halten uns davon ab, unsere Sehnsucht zu leben.
Die Gestalttherapie birgt in sich wunderbares Werkzeug, um einen ganzheitlichen Veränderungsprozess zu beschreiten.
Durch das behutsame, begleitete Bewusstwerden dessen, was da ist – z.B. die Angst, jemanden zu enttäuschen, oder sich wiederholende Gedankenmuster – und das in Kontakt kommen damit, kann etwas Neues entstehen.
Der ganzheitliche Veränderungsprozess geschieht, wenn Kopf, Herz und Bauch mitzeinbezogen werden – oder anders ausgedrückt, der Verstand, die Gefühle und der Körper beteiligt sind.
„Was ist darf sein, was sein darf, verändert sich.“ Werner Bock
In der Gestalttherapie suchen wir nicht nach traumatischen Erlebnissen in der Kindheit oder im Erwachsenenleben. Wir gehen immer vom Hier und Jetzt aus und schauen Schritt für Schritt, im jeweilig stimmigen Tempo, was sich gerade zeigen möchte. Das heisst, wir arbeiten immer mit dem, was in den Vordergrund der Wahrnehmung tritt.
„Der Gestalttherapeut verweigert die Rolle des „Veränderers“, weil seine Strategie darin besteht, den Klienten zu ermutigen, ja sogar darauf zu bestehen, dass er sein möge, wie und was er ist. Er glaubt, daß Veränderung nicht durch Bemühen, Zwang, Überzeugung, Einsicht, Interpretation oder ähnliche Mittel zu bewirken ist. Vielmehr entsteht Veränderung, wenn der Klient – zumindest für einen Moment – aufgibt, anders werden zu wollen, und stattdessen versucht zu sein, was er ist. Dies beruht auf der Prämisse, daß man festen Boden unter den Füssen braucht, um einen Schritt vorwärts zu machen, und daß es schwierig oder gar unmöglich ist, sich ohne diesen Boden fortzubewegen.“
Arnold R. Beisser, Die paradoxe Theorie der Veränderung
Wichtige Instrumente der Gestalttherapie sind:
Kontakt:
Kontakt per se ist heilsam, davon bin ich durch viele eigene Erfahrungen überzeugt. Nur, was bedeutet das?
Der Kontakt zwischen Therapeut:in und Klient:in bildet den Kern der gestalttherapeutischen Arbeit. Kontakt in der gestalttherapeutischen Arbeitsweise bedeutet, dass ich als Klient:in so sein darf, wie ich bin, mit allem was da ist in mir, und mein Gegenüber – der Therapeut, die Therapeutin- bleibt da.
Im geschützten Rahmen können neue Erfahrungen gemacht und erprobt werden, die Schritt für Schritt nach aussen ins Leben getragen werden können: neue Ressourcen entstehen.
Wahrnehmung:
Bewusstheit ist der erste Schritt. Das geschieht durch Wahrnehmung des Körpers, der Atmung, der Gefühle. Das alles geschieht im Hier & Jetzt. Wahrgenommen wird immer in der Gegenwart.
Bewusst werden, was in mir geschieht – welche Impulse unterdrücke ich / welche Sehnsucht möchte gelebt werden / was möchte beendet werden / welche Gefühle halte ich in mir fest.
Selbstverantwortung:
Selbstverantwortlich zu werden heisst zu erkennen, dass es eine Wahl gibt, wie ich auf mein Umfeld reagiere, wie ich Entscheidungen treffe und wo ich meinen Spielraum erweitern möchte.
Ganzheitlichkeit:
Der Mensch wird ganzheitlich wahrgenommen und miteinbezogen in den Prozess.
Kopf: Kognitive Intelligenz. Zentrum der Gedanken, innere Bilder, Erinnerung, Abstraktion, Verstand, Wille.
Herz: Emotionale Intelligenz. Zentrum des Rhythmus, Atem, Herzschlag. Zentrum der Gefühle wie Liebe,
Trauer, Mitgefühl, Herzensmut.
Bauch: Körperliche Intelligenz. Zentrum der Körperempfindung, Zentrum von Sexualität und Lebenskraft.
„Der Körper kennt den Weg.“